Schon seit vielen Monaten gibt es nun immer wieder heiße Debatten um einen Begriff, der für viele Menschen in Deutschland sehr wohl existiert, von dem viele Fachleute jedoch anderer Meinung sind. Der Streit geht um den „Zusatznutzen“, den neuartige Epilepsie-Medikamente haben – oder auch nicht. Denn während einige der Meinung sind, dass diverse Medikamente für Epilepsie-Patienten keinerlei Zusatznutzen haben sollen, sind gerade die Medikamente, um die es geht, vor allem für Patienten und deren Angehörige hingegen sehr wertvoll. Viele Patienten sind dadurch nahezu frei von Anfällen, ohne sie würden sie jedoch mitunter sogar mehrere Hundert Anfälle erleiden.
Achtjährige führt ein neues Leben
Ein achtjähriges Mädchen beispielsweise hatte früher täglich etwa 300 Epilepsie-Anfälle. Spezielle Medikamente, die bislang auf dem Markt verfügbar waren, hatten jedoch keinerlei Auswirkungen und eine Besserung blieb daher aus. Eines Tages testete ihr behandelnder Arzt ein neues Präparat. Seitdem führt das Mädchen ein ganz neues Leben, denn die Anfälle sind nahezu vollständig verschwunden. Das alte Leben, welches die kleine Hannah bislang Zuhause auf dem Sofa oder im Krankenhaus fristen musste, konnte sie dank dem Medikament Fycompa des japanischen Konzerns Eisai hinter sich lassen. Heute fährt sie problemlos mit dem Fahrrad und kann bedenkenlos ins Schwimmbad. Doch wie lange noch?
Neben Fycompa von Eisai gibt es noch ein weiteres Medikament Namens Trobalt vom britischen Unternehmen Glaxo-Smith-Kline. Seit Mitte 2013 gibt es beide Medikamente in Deutschland ausschließlich noch auf einen speziellen Antrag hin. Weder für Eisai noch für Glaxo-Smith-Kline ist der Vertrieb in Deutschland noch lukrativ genug, denn ein Gremium hat entschieden, dass diese beiden Medikamente gegenüber älteren Präparaten keinen Zusatznutzen hätten. Neue Medikamente, die im Vergleich zu einem älteren Medikament keinen Zusatznutzen haben, dürfen nun aber seit 2011 nicht mehr teurer sein als das „gleichwertige“ ältere Medikament – hier ist insbesondere von Amnog die Rede.
Studie belegt Zusatznutzen von Fycompa
Es ist Zeit, dass die Krankenkassen endlich wach werden. Für etwa 20.000 Epilepsie-Kranke Menschen in Deutschland ist Fycompa die einzige Möglichkeit, ein normales Leben führen zu können, da andere Therapien schlichtweg nicht anschlagen. Hierüber hat der Epilepsie-Experte Christian Elger von der Bonner Uniklinik eigens eine Studie durchgeführt, die nicht durch die Pharmaindustrie finanziert wurde und aus der hervorgeht, dass etwa 15 Prozent aller an Epilepsie erkrankten Menschen nur durch Fycompa Hilfe erhalten können. Schon bald soll diese veröffentlicht werden.
Am Ende sind bislang die Patienten die einzigen Verlierer. Denn einzig eine mehr oder weniger willkürliche Entscheidung hat dafür gesorgt, dass die Patienten, denen kein anderes Medikament helfen kann, keine Hoffnung mehr auf Besserung haben. Doch der G-BA streitet dies ab und hält an seiner Entscheidung fest, obwohl nicht nur Patienten, sondern auch Ärzte dagegen protestieren und sogar schlagfertige Argumente liefern, da beispielsweise Eisai nicht die Studien vorgelegt hatte, welche die G-BA gefordert hatte. Denn diese stehen nicht grundsätzlich dem helfenden Medikament entgegen. Die Konzerne dürften ihre Medikamente sehr wohl verkaufen. Sie müssen lediglich mit ihren Preisen deutlich runter gehen – von ehemals rund 3.500 Euro auf lediglich noch maximal 200 Euro je Patient und Jahr. Eisai jedoch ließ sich nicht auf dieses Preisdumping ein und zog das Medikament kurzerhand in Deutschland aus dem Verkehr, statt es zum absoluten Niedrigpreis zu vermarkten. Stattdessen bietet der Konzern seinen bedürftigen Patienten die Möglichkeit, auf einen speziellen Antrag hin das Medikament im direkten „Individualimport“ zu erhalten – und zwar kostenlos. Doch wie lang wird sich Eisai wohl noch so großzügig zeigen und wann wird die G-BA wohl auch hier eine Möglichkeit finden, dem einen Riegel vorzuschieben? Für die Betroffenen bedeutet dies jeden Tag aufs Neue einen endlosen Kampf um ihr Überleben.
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/medizin-systemfehler-1.2634189